Schwarz-Blau: Das kommt auf Österreich zu!!
Die einen sollen mehr arbeiten, die anderen steigern ihr Vermögen: ÖVP und FPÖ haben ihr Regierungsprogramm vorgelegt. Schwarz-Blau bringt den 12-Stunden-Tag, Studiengebühren, Steuergeschenke für Konzerne, steigende Mieten und ein verstecktes Sparpaket in der Höhe von 10 Milliarden Euro. Wir haben uns das Programm genauer angesehen.
Es ist ein bißchen wie bei Donald Trump: Um die Wähler bei Laune zu halten, muss man Flüchtlinge schikanieren. Denen sollen etwa bei der Antragstellung ihr gesamtes Bargeld abgenommen werden. Ihre Kinder sollen keine normalen Schulen mehr besuchen dürfen, sondern eigene Klassen in Flüchtlingsunterkünften. Und die Mindestsicherung für Asylberechtigte soll auf 365 Euro gekürzt werden.
Keinem Österreicher geht es durch diese Maßnahmen besser, aber vielleicht tritt dadurch in den Hintergrund, dass es ihnen durch viele Maßnahmen im schwarz-blauen Regierungsprogramm schlechter geht – so das Kalkül.
Der generelle 12-Stunden-Tag wird eingeführt
Da ist etwa der 12-Stunden-Tag. Schon heute können Beschäftigte zwölf Stunden arbeiten. Etwa bei Auftragsspitzen, bei Bereitschaftsdiensten oder bei Schichtarbeit. Das wird im Kollektivvertrag geregelt und braucht also die Zustimmung der Gewerkschaft auf Branchenebene.
Genau das will Schwarz-Blau verhindern: Laut Regierungsprogramm sollen Vereinbarungen zum 12-Stunden-Tag nur mehr auf betrieblicher Ebene oder mit jedem Arbeitnehmer einzeln ausgehandelt werden. Das hat mehrere Nachteile:
- Betriebsräte haben weit weniger Verhandlungsgewicht, sie verhandeln viel stärker mit dem Rücken zur Wand als die Gewerkschaften. Für Arbeitnehmer bedeutet das am Ende des Tages wahrscheinlich das Ende von Überstundenzuschlägen.
- Ausgleichsmaßnahmen für ArbeitnehmerInnen fehlen, so sind etwa keine garantierten Freizeitblöcke als Gegenleistung vorgesehen.
- Das Risiko von Arbeitsunfällen nimmt stark zu: 12-Stunden-Tage sind eine massive Belastung für ArbeitnehmerInnen. Die gesetzliche Pause an so einem 12-Stunden-Tag beträgt gerade einmal eine halbe Stunde.
Mit der Änderung zum 12-Stunden-Tag verschiebt Schwarz-Blau “die Machtverhältnisse zu Ungunsten der Arbeitnehmer”, analysiert der Arbeitsrechtsexperte Martin Risak. “Ich sehe eigentlich nichts, was die Interessen der Arbeitnehmer abbildet”. Von der Familienfeindlichkeit dieser Maßnahme ganz zu schweigen: Kinderbetreuungs- und Bildungseinrichtungen sind gar nicht auf 12-Stunden-Tage der Eltern ausgerichtet. Während in anderen Ländern kürzere Arbeitstage erprobt werden, um die Vereinbarkeit zu verbessern und die Leistungsfähigkeit zu erhöhen, werden in Österreich die Arbeitstage wieder in die Länge gezogen.
Familienbonus nur für Top-Verdiener
Kein Vorhaben zeigt so deutlich wie der sogenannte Familienbonus, welche Kinder Schwarz-Blau fördern will und welche nicht. 1.500 Euro pro Jahr sollen Eltern jährlich pro Kind von der Steuer absetzen können – und das bis zum 18. Geburtstag. Das heißt aber auch: Wenn Eltern weniger als 1.342 Euro verdienen, bekommen sie für ihre Kinder nichts. Laut dem Ökonomen Stephan Schulmeister betrifft das fast 40 Prozent der Eltern. Für zwei Kinder kommen Eltern überhaupt erst ab einem Einkommen von 2.500 Euro in den Genuss der vollen Begünstigung – das sind die 25 Prozent Top-Verdiener. 90.000 der 150.000 AlleinerzieherInnen hätten vom Bonus wiederum gar nichts, was Bundeskanzler Kurz in der ZIB 2 am Tag der Angelobung flapsig mit “Jo, eh” kommentiert.
Wenn Kurz und Strache also insgesamt 2 Milliarden Euro auf die 1,5 Millionen Kinder unter 18 verteilen, sortieren sie die nach dem Einkommen der Eltern – und die Kinder von armen Familien und die von Mittelschichtsfamilien bekommen wenig bis gar nichts.
Genau genommen beträgt der Unterschied zwischen dem Bonus, den das Kind eines gut verdienenden Geschäftsführers in den ersten 18 Jahren erhält, und dem, was das Kind einer Verkäufern mit 1.342 Euro monatlich bekommt 27.000 Euro!
Bildung nach Herkunft
Dazu passend will Schwarz-Blau die Studiengebühren wieder einführen. 500 Euro pro Semester, also 1.000 Euro pro Studienjahr soll Studieren in Österreich kosten. Für eine Familie mit mittlerem Einkommen und drei studierenden Kindern sind das 3.000 Euro zusätzliche finanzielle Belastung im Jahr – dazu kommen noch die ohnehin anfallenden Ausgaben wie Wohnkosten, Fahrtkosten, Essen und Lernunterlagen.
Die 25 Prozent Top-Verdiener trifft das wenig, sie könnten sich außerdem etwas vom neuen Familienbonus zurücklegen. Für Familien aus der Mittelschicht und jene mit niedrigen Einkommen wird der Weg zu höherer Bildung aber noch schwieriger, als er ohnehin schon ist.
MIETERINNEN WERDEN DEM MARKT ÜBERLASSEN
Sebastian Kurz hat für seinen Wahlkampf viel Geld aus der Immobilienbranche bekommen. Mit dem Regierungsprogramm macht die schwarz-blaue Regierung die Träume der Vermieter wahr: So soll das Recht, Wohnungen mit bestehendem Mietvertrag an Verwandte weiterzugeben, stark eingeschränkt werden. Nur mehr bis zum 25. Lebensjahr kann die eigene Wohnung an Kinder weitergegeben werden, Enkel sind völlig ausgenommen. Während sich Schwarz-Blau also für das Verschenken und Vererben von Eigentum ohne Einschränkungen stark macht, wird die Weitergabe von Mietwohnungen in der Familie erschwert und stark eingeschränkt.
Grundsätzlich wird sich das Wohnen für Mieter verteuern, denn Schwarz-Blau will höhere Zuschläge erlauben. Konkret wird das Verbot von Lagezuschlägen in Gründerzeitviertel fallen. Das heißt: Bis zu 60 Prozent höhere Mieten. Der Wiener Immobilienwirtschaft ist dieses Verbot schon lange ein Dorn im Auge, mehrmals hat sie versucht es über Verfassungsbeschwerden aufzuheben. Der Verfassungsgerichtshof hat aber immer dagegen entschieden. Schwarz-Blau hilft jetzt per Gesetz aus.
Wer Eigentumswohnungen erbt oder sie den Kauf leisten kann, steigt dagegen gut aus. Ganze 200 Millionen Euro wollen ÖVP und FPÖ jenen mitgeben, die eine Eigentumswohnung oder ein Haus kaufen. Während der Staat auf seine Gebühren (Grunderwerbssteuer 3,5%, Grundbucheintragung 1,1%, Pfandrechteintragung 1,2%) verzichten soll, um Wohnungseigentum günstiger zu machen, werden Maklergebühren sowie Kosten für Notar und Rechtsanwalt aber nicht angerührt – denn das würde die eigene Klientel treffen.
Ganz nebenbei ist das auch noch eine staatliche Prämie fürs Erben:
Da diese Gebühren auch für geschenkte und geerbte Wohnungen fällig werden, wird nicht nur die Erbschaft nicht besteuert, sondern der Staat zahlt sogar noch bis zu 20.000 Euro dazu.
Weniger Arbeitslosengeld – „Hartz IV für Österreich“
Für Arbeitslose plant die neue Regierung einen Paradigmenwechsel. “Es sieht danach aus, dass ein System wie Hartz IV in Deutschland eingeführt wird”, schreibt die Presse. Die Notstandshilfe soll abgeschafft und in das Arbeitslosengeld integriert werden, die Unterstützung soll mit längerer Bezugsdauer immer niedriger werden. Wer länger als ein Jahr arbeitslos ist, wird de facto enteignet. er muss sein Auto, seine Wohnung und alles Ersparte bis auf 4.189 Euro veräußern, bevor er weiter finanzielle Unterstützung bekommt.
„Eine Streichung der Notstandshilfe stürzt bis zu 160.000 Menschen in Einkommensarmut. Das ist ein historischer Systembruch hin zu einem Hartz IV-System in Österreich”, erklärt Judith Pühringer, die Geschäftsführerin von Arbeit plus gegenüber der Presse. In Deutschland ist durch Hartz IV die Zahl der armutsgefährdeten Menschen stark gestiegen, der Niedriglohnsektor einer der größten in Europa und das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit hat sich verschärft. Bedenkt man, dass besonders ältere ArbeitnehmerInnen unter langer Arbeitslosigkeit leiden und die neue Regierung auch darüber nachdenkt, die Aktion 20.000 einzustellen, ist das besonders zynisch.
Schikanen für Arbeitslose
Für Arbeitslose werden die sogenannten Zumutbarkeitsbestimmungen verschärft. In Zukunft müssen auch Jobs angenommen werden, die bis zu 2,5 Stunden Wegzeit erfordern. Wird die tägliche Höchstarbeitszeit wie geplant auf 12 Stunden täglich erhöht, bringt das in Summe 14,5 Stunden täglich, die für Arbeit draufgehen.
Außerdem soll der Berufsschutz entfallen, Jobs müssen also auch außerhalb des erlernten und ausgeübten Berufs angenommen werden.
Öffnung des Arbeitsmarktes
Relativ stillschweigend will die schwarz-blaue Bundesregierung den Arbeitsmarkt für Zuwanderer aus Drittstaaten öffnen. Während Flüchtlinge öffentlichkeitswirksam schikaniert werden, sollen der Wirtschaft künftig mehr ausländische Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Unternehmen können Facharbeiter aus dem Ausland anfordern – ähnlich den Anwerbeabkommen aus den 1960er und 1970er Jahren mit Jugoslawien und der Türkei.
Damit wird der heimische Arbeitsmarkt zusätzlich belastet: Konkret wird die Zahl der Berufe, in denen unbegrenzte Zuwanderung aus Drittstaaten möglich ist, von derzeit 11 Berufen auf künftig zumindest 63 Berufe erhöht. Auch Koch/Köchin, MaurerIn, FriseurIn, KosmetikerIn, KellnerInnen und Fachkräfte im Reinigungswesen werden künftig darunter fallen. Und das, obwohl es in diesen Berufen tausende Arbeitslose gibt:
- Ende November waren österreichweit fast 21.000 Kellner arbeitslos oder in Schulung vorgemerkt, selbst in der Hochsaison zu Weihnachten werden es noch 15.000 sein.
- Arbeitslose Köche gab es Ende November fast 11.000 und auch da werden es zu Weihnachten noch immer 7.000 sein.
- Vorgemerkte FriseurInnen und KosmetikerInnen gibt es österreichweit gegenwärtig mehr als 4.300.
Milliarden-Steuergeschenke für Konzerne
Schwarz-Blau will die Körperschaftssteuer für Unternehmen senken. Wie genau, ist noch offen – klar ist allerdings: Die Kapitalgesellschaften werden sehr viel weniger Steuern zahlen. Der ursprüngliche Plan aus dem ÖVP-Wahlprogrammen, die KÖSt für nicht entnommene Gewinne ganz zu streichen, würde das gesamte Steueraufkommen für Unternehmensgewinne wenigstens halbieren (Entfall je nach Schätzung 3 bis 5 Mrd. Euro). Dabei liegt Österreich bei der effektiven KÖSt ziemlich genau im Durchschnitt der EU-28, eine Senkung ist also nicht notwendig.
Der Sinn laut Schwarz-Blau: Die Wettbewerbsfähigkeit stärken. Der reale Effekt: Der europäische Steuerwettlauf nach unten bei den Unternehmenssteuern wird weiter befeuert. Denn: Die Unternehmenssteuern waren noch nie so niedrig wie jetzt in Europa. Zugleich wurde noch nie so wenig investiert – obwohl die Steuern mit der Begründung gesenkt wurden, dass dadurch die Investitionen steigen würden.
Zum Schluss zahlen ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen einen immer größeren Anteil am gesamten Steueraufkommen.
10-Milliarden-Sparpaket auf Kosten der Arbeitnehmer und Konsumenten
Kurz und Strache wollen die Steuer- und Abgabenquote von rund 43 auf 40 % senken, das sind 10 bis 12 Mrd. Euro (3 % vom BIP). Klar ist dabei nur, wer weniger einzahlen wird: Konzerne (KÖSt), reiche Familien mit Kindern (Kinderbonus), Hotellerie (Senkung MWSt) usw. Wer die Zeche dafür zahlen wird lässt die neue Regierung offen – es ist aber leider offensichtlich: Alle, die einen funktionierenden Sozialstaat brauchen, also die große Mehrheit der ÖsterreicherInnen. Was Schwarz-Blau “Sparen im System” nennt, wird sich als Kahlschlag im Sozialstaat herausstellen, es wird weniger und schlechtere Leistungen im Sozial-, Gesundheits-, Bildungs- und Pensionsbereich geben.
Die Steuergeschenke für die obereren Zehntausend und die Konzerne zahlen alle anderen – die Bezieher kleiner Einkommen und Pensionen und die Mittelschicht.
Zum Weiterlesen
Das schwarzblaue Regierungsprogramm als PDF
Analysen des Regierungsprogramms von der Redaktion des “Standard”