Dr. Bernt Ruttner
Rechtsruck in Österreich!
Die Wahlen sind vorbei, der Wähler hat entschieden: Österreich bekommt eine konservativ-rechte Regierung. Das ist ein demokratisches Faktum und schreckt mich insofern nicht, als auch dieser Regierung mit demokratischen Mitteln die Grenzen aufgezeigt werden können.
Was mich eher schreckt, ist der Ton, der in den Medien und hier speziell in den Leserbriefen, Postings und dem ganzen Getwittere eingerissen ist.
Der Tenor darin lautete doch SPÖ und Grüne seien mit ihrer Politik abgehoben und horchen nicht mehr auf das „Volk“ (z.B. Kronenzeitung vom 22.10: „Gegen das Volk regiert“). Nun frage ich mich, wenn ich in der Flüchtlingspolitik oder auch bei anderen Politikfeldern nicht die Meinung des „Volkes“ habe, gehöre ich dann nicht mehr zum Volk, bin ich dann kein ordentlicher Staatsbürger mehr, ein „Volksverräter“?
Ich meine, so wie es den „Wählerwillen“ nicht gibt, sondern nur ein Ergebnis einer demokratischen Wahl, so gibt es auch das „Volk“ nicht, sondern nur Staatsbürger mit gleichen Rechten und Pflichten, die unterschiedlicher Meinung sind und diese Meinungen respektieren sollten. Gemeinsame Basis der unterschiedlichen Meinungen sollte aber immer die Einhaltung der Menschenrechte und Anerkennung der demokratischen Grundrechte sein.
Der Ruf „Wir sind das Volk“ der jetzt in Deutschland von einschlägiger Seite ertönt, ist eine Anmaßung. Andersdenkende sind dann automatisch nicht das Volk, sie werden ausgegrenzt. Der Ruf mag in einer Diktatur seine Berechtigung gehabt haben, in einer Demokratie ist er fehl am Platz und führt schnurstracks zur Ausgrenzung und Herabwürdigung anders Denkender. Dieses „Wir sind die Richtigen, das eigentliche Volk, die anderen gehören weg, stehen uns im Weg“ ist ein Schritt auf dem Weg zum Faschismus.
Das heißt jetzt nicht, dass die berühmte Nazi-Keule ausgepackt werden soll. Aber faschistisches Gedankengut gibt es nicht erst dann, wenn man im Braunhemd und Gleichschritt daher marschiert. Der Beginn ist viel einfacher: man baut sich ein Feindbild auf, ob fiktiv oder real ist dabei einerlei. Man vermutet dunkle Kräfte hinter dieser Bedrohungslage und bastelt sich eine Verschwörungstheorie. Klassisches Beispiel in jüngster Zeit ist der Konflikt in Ungarn zwischen Orban und George Soros. Bei uns sind diese Ansätze in der Bezeichnung „Lügenpresse“ und der Vermutung zu finden, dass die offiziellen Statistiken auf „höhere Weisung“ getürkt sind. Denn es kann ja nicht sein, dass die objektiven Zahlen mit unserem Weltbild oder Meinung nicht übereinstimmen.
Genau mit einem Dialog auf dieser Grundlage entferne ich mich vom demokratischen Gedankengut, von der Grundvoraussetzung, dass man auf Augenhöhe und mit rationalen Argumenten die Diskussion führt. Tut man das nicht, entfernt man sich von unseren demokratischen Grundsätzen.
Davor habe ich Angst, dass in der Bevölkerung wieder eine Blockwarte-Mentalität entsteht und wir so wieder unbemerkt, aber doch in eine Gesinnungsdiktatur schlittern. Eine starke, aufgeklärte Sozialdemokratie sollte dies verhindern.